Hochfranken-Feuilleton
 Jede Art zu schreiben ist erlaubt, nur nicht die langweilige.  (Voltaire)


In der altbekannten Verkleidung eines frankofonen Kleinbürgers liest Frank-Markus Barwasser den Zeitläuften und ihren Verderbern von Trump bis zu den Influencern gehörig die Leviten. Vom naiv-schlitzohrigen Spießer hat sich die Kunstfigur zu einem atemlos lautstarken Choleriker gewandelt.

Von Michael Thumser

Hof, 11. Dezember 2025
– Erwin Pelzig meints ernst. Und die Lage ist ja auch so: ernst, bedrückend unerfreulich, teils beängstigend. Beim Blick auf die Zeitläufte vergeht selbst einem wie ihm das Lachen: einem unauffällig beobachtenden Mitläufer, einem mal eben vorbeischauenden Flaneur aus dem Kleinbürgertum. So einer zumindest war Pelzig früher, noch vor einigen Jahren, als er scheinbar harmlos, in Wahrheit bauernschlau von unten, aus der Bodennähe seiner kleinen Welt, das große Ganze besichtigte. Ein scheinbar unbedarfter Spaßvogel schien damals in ihm zu stecken, ein Witzbold, wenngleich auch Welterklärer mit schlagend schrägen, dabei schwer zu widerlegenden Brachialargumenten. Als naiver Brausekopf unterm Cordhütli zog er gegen die vielerlei Verrücktheiten in Politik und Gesellschaft vom Leder seines Handdäschlis. Und man verließ sich darauf: Unter Karohemd und Janker schlägt ein warmes Herz.

     Heute ists dort anders. Jetzt zerreißt es dem Pelzig, wie vor wenigen Tagen in Hof, schier die Brust. Schon dass die Medien immer, wenn sie seine Auftritte rezensieren, Tasche, Hemd und Hut erwähnen, geht ihm, wie er poltert, mächtig auf den Senkel. Mithin könnte das hochvergnügte Publikum im Festsaal der Freiheitshalle fragen, ob er nicht einen Typberater konsultieren und erwägen sollte, das Outfit passend zu verändern. Dann freilich müsste der Kabarettist Frank-Markus Barwasser ganz aufhören, Pelzig zu sein. Denn der geht nur so: als stets ein wenig lächerliche Ikone des besserwisserisch wissenden Spießers.

Alles läuft schief

Früher machte er Zweifel daran geltend, dass in Land und Welt alles mit rechten Dingen zugehe. Heute scheint für ihn felsenfest zu stehen: Wirklich alles läuft so schief wie irgend möglich. Bis zur Atemlosigkeit cholerisch, schon nach der ersten Viertelstunde seines aktuellen Programms „Wer wir werden“ heiser, macht er überdeutlich, dass ihm das „Zeitalter der Unkontrollierbarkeit“ von vorn bis hinten tief zuwider ist: an allererster Stelle der „Honk Trump in seinem Obersalzberg von Florida“ und die „mafiöse Autokratie“, in die sich unter ihm die USA verwandeln, dazu die „Demokratie-Zerstörer“ Elon Musk und Peter Thiel („Da trauert man den guten alten mittelständischen RAF-Terroristen nach“); aber auch, hierzulande, die Brandmauer der Großen Koalition, von der nur mehr „ein Rest vorhanden ist wie der Haarbüschel auf der Stirn von Merz“; nicht zu vergessen die „Kriegsgräbervorsorge“ der Rüstungsunternehmen: „Mein Tipptopp-Tipp: Kaufen Sie Aktien von Rheinmetall; das einzige Rendite-Risiko wär Frieden.“ Erst recht mit Haut und Haaren gefressen hat er Online-Influencer, die ihn laut mit „Hallooo, ihr Lieben“ begrüßen. Pelzig zetert: „Ich bin kein Lieber.“

Frank-Markus Barwasser als Doktor Göbel: Nölend-näselnder Bildungsbürger. (Foto [1]: thu)

   Nein, ist er nicht. War er vielleicht mal. Aber das ist vorbei. Sein Auditorium ruft er zur „provokativen Therapie“ zusammen. Sie besteht aus drei „philosophischen Sprechstunden“ am Stück, in denen er sich als „zu kurz geratener Stoiker“ bekennt. Soll heißen: Er hängt jener antiken Denkrichtung an, die stets mit dem Schlimmsten rechnet und dem Verstand empfiehlt, „Nackenschläge auszuhalten“, um „resilient“ zu werden und „gelassen zu bleiben“. Allerdings wendet Pelzig nur die erste Hälfte seiner Ratschläge auf sich selbst an: Wild entschlossen, es stoisch mit dem „Gegenteil des positiven Denkens“ zu versuchen, ist er bereit zur „Vorwegnahme des Übels“.

Furor der Verzweiflung

An der Gelassenheit indes muss er noch arbeiten. Pelzig faucht und flucht gegen Schottergärten und Gabionen; attackiert die deutsche Regulierungsgier, die in Meck-Pom ein Seilbahn-Gesetz erlässt, obwohl es dort keine Seilbahn gibt; schnauzt beiläufig Hubert Aiwanger an, den „Experten für verkürzte mentale Streckenführung“; predigt keifend gegen Versuche, nicht nur das Mammut neu zu klonen, sondern den seit 350 Jahren ausgestorbenen Vogel Dodo gleich mit: „Flugunfähig und fett sind wir selber.“ Nicht selten ist es, als imitierte er in seinem verzweifelten Mahn- und Warn-Furor eben jene Demagogen, gegen die er immer aufs Neue losrennt. Irritierend, mitunter missfällig erinnert die wutentbrannte Hemmungslosigkeit an das weit plattere Gebrüll des Gernot Hassknecht alias Hans-Joachim Heist. Dass Pelzig ausgerechnet ihn kopiert, der ihm nicht das Wasser reichen kann – das würde besagter Typberater wohl mit Kopfschütteln quittieren.

     „Pelzig unterhält sich“ hieß einst ein Fernsehtalk mit Markus Barwasser; das ist zwar viele Jahre her. Doch auf der Bühne „unterhält“ sich Pelzig immer noch: mit seinen treuen Debattengegnern und -gefährten Haddmud, dem prolligen Schluckspecht, und dem bildungsbürgerlich nölend-näselnden Doktor Göbel. Zwei Mal versammeln sich die Drei-in-einem auf dem Hofer Podium, und beide Mal beglücken er und sie die etwa vierhundert Zuschauerinnen und -schauer mit uferlos blitzschnellen Wortgefechten von vielsagender Sinnfreiheit. Da ist er dann doch wieder zu erleben, der auch schauspielerisch prächtige Pelzig von einst. Dass Frank-Markus Barwasser nach mehr als dreißig Jahren das Naturell seines hibbeligen Hütli-Helden mit den angespannten Zeitläuften synchronisiert, kann ihm niemand übelnehmen. So gibt das Programm dem Titel eines anderen seiner TV-Formate aus vergangenen Jahrzehnten recht: „Pelzig hält sich“. Bisher ganz gut.

■ Foto am Beginn des Artikels: PR / © Dita Vollmond