Eckpunkt
Deutsch mit Mängeln
Von Curiander
29. September Was hat Deutsch mit Chinesisch und Finnisch, Arabisch und Isländisch gemeinsam? Unsere Sprache gehört, wie die anderen genannten, nach Auskunft der Unesco zu den zehn schwierigsten auf Erden. Nun könnten wir meinen, wir als Einheimische dürften uns freuen, ein so hochkomplexes Verständigungsmedium nicht erst mühsam in der Schule lernen zu müssen, sondern es gleichsam mit der Muttermilch einzusaugen. Weit gefehlt indes: Sogar wir Muttersprachler geraten leicht ins Schlingern angesichts der zahllosen Seltsam- und Widersprüchlichkeiten unseres Wortschatzes und unserer Grammatik. „Medienkompetenz sehr gut, deutsche Sprache mangelhaft“, titelte der Deutschlandfunk Kultur schon im Jahr 2012, als er über „massive Lücken“ in den orthografischen und grammatischen Kenntnissen deutscher Studienanfänger an philosophischen Fakultäten berichtete; auch in den Jahren 2014, 2018 und so fort klangen entsprechende Verlautbarungen nicht viel optimistischer. Zum Beispiel beklagten Professoren der Zürcher Uni Im vergangenen Jahr einen „zum Teil abenteuerlichen Umgang mit der deutschen Sprache in studentischen Arbeiten“. Das Problem zeichnet sich schon lange vor dem Abitur ab: Heuer im Mai ermittelte das Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen, dass jeder vierte Viertklässler im Lande nicht richtig zu lesen und zu schreiben versteht. Schmerzlich kommt hinzu, dass junge Leute neben Methoden korrekter Wortwahl, Rechtschreibung und Syntax offenbar auch viele Begriffe unserer Hoch- und Alltagssprache aus dem Sinn verlieren, die Wert und Gewichtigkeit besitzen und vielen älteren Zeitgenossen lieb geworden sind. Wer etwa heute vor einer Reise sein Zeug oder seine Sachen zusammenpackt, hat das vor noch wenigen Jahrzehnten mit seinen Habseligkeiten getan – ein Wort, dessen Bedeutung die meisten zwölfjährigen Jungs und Mädchen eines humanistischen Gymnasiums in der Region schon nicht mehr kennen, wie die Latein und Deutsch unterrichtende Ehefrau des Schreibers dieser Zeilen zur Kenntnis nehmen musste. Obendrein verschwindet mit Wörtern solcher Art auch ein Gutteil Wohllaut aus unserem Gesprochenen. Als 2004 das Goethe-Institut und der in Wiesbaden ansässige Deutsche Sprachrat nach dem „schönsten deutschen Wort“ fragten – und Antworten aus 111 Ländern erhielten –, gelangten, sehr zu Recht, besagte Habseligkeiten auf Rang eins. Den zweiten Platz besetzte die Geborgenheit, jene Art von Nestwärme, wie sie nicht zuletzt von einer achtsam gepflegten Muttersprache ausgeht. Nicht alle aussterbenden Wörter sind, nur weil sie alt sind, auch altmodisch. Dass freilich farbig tönende Preziosen wie der Hagestolz und das Hasenpanier, das Labsal (für eine genussreiche Erfrischung) oder der Eidam (für den Schwiegersohn) ungeachtet ihrer Plastizität untergehen oder -gingen, ist notgedrungen dem zeitgemäßen Wandel und anpassungsfähigen Fortschritt unserer Sprache geschuldet und muss selbst von den Traditionsbewusstesten unter uns hingenommen werden. Wenn uns also ein Macho mit zu viel Gel in der Frise unangenehm auffällt, weil er reihenweise geile Girlies anmacht, die nicht bei drei auf dem Baum sind, sollten wir von ihm nicht als von einem Pomadenhengst schwadronieren, der mit jeder liebreizenden Maid poussiert. Sonst müsste es vielen – und nicht nur jungen – Leuten so vorkommen, als sprächen wir chinesisch, arabisch oder finnisch mit ihnen. ■
Alle früheren Kolumnen im Eckpunkte-Archiv.
Rückblick
26. September, Hof, Theater, Großes Haus
Mit Wolfgang Amadeus Mozarts bis heute beliebtester Oper, der Zauberflöte, startet das Haus in die neue Spielzeit. Regisseurin Kerstin Steeb, die neuen Dialoge Ivana Sokolas und Ivo Hentschel am Pult der Symphoniker entfalten Emanuel Schikaneders notorisch abstruse Handlung von 1791 als „dystopisches Märchen“ von heute, bei dem vor allem Scheinwerfer und deren Licht die Bühnenwelt erschaffen.
23. September, Selb-Plößberg, Prozellanikon
Nichts muss der Mensch wirklich, außer – wie die Redensart richtig feststellt – „sterben und pinkeln“. Darum darf man sich dem tabubehafteten Bereich der menschlichen Defäkation auch ruhig einmal so unterhaltsam, entspannt und informativ widmen, wie die Ausstellung Klo & Co. es tut. Unabhängig von der Schau rund um die Geschichte des „stillen Örtchens“ gibt es auch einen schönen Bildband zum Thema.
Theater Hof
Schauspiel
zuletzt
Die Ratten
Der Kissenmann
Kasimir und Karoline
norway.today
Musiktheater
zuletzt
Tell me on a Sunday
Die Zauberflöte
Falstaff
The Terranauts
Vogtlandtheater (Plauen):
zuletzt
Zinnwald
Die Jungfrau von Orléans
Geschlossene Gesellschaft
Frühlings Erwachen (Live fast, die young)
Studiobühne Bayreuth
zuletzt
Ein Kind unserer Zeit
Glückliche Tage
Die Quizkönigin
Die Blechtrommel
Theater andernorts
zuletzt
Siegfried, Götterdämmerung in Bayreuth
Rheingold und Walküre in Bayreuth
Parsifal auf dem Grünen Hügel
Die Schöne und das Biest auf der Luisenburg
Konzert
zuletzt
Alexandre Tharaud: Der französische Spitzenpianist glänzt in Bayreuth
„Großmeister“: Albrecht Mayer als Solist und Dirigient bei den Symphonikern
American composer: Daniel Dendievel feiert in Selb den Exilanten Kurt Weill
Sommernachtsträume mit dem Malion-Quartett in Schloss Fantaisie
Film und Fernsehen
zuletzt
Oppenheimer
Mission: Impossible 7/1 – Dead Reckoning
Indiana Jones und das Rad des Schicksals
46. Grenzland-Filmtage Selb
Kleinkunst, Kabarett, Comedy
zuletzt
Birgit Süß: Das Graue vom Himmel
Definitiv vielleicht: Günter Grünwald in Hof
Die 13 Monate: Mit Kästner durchs Jahr
Pelzig alias Barwasser in Wunsiedel
Anderes
zuletzt
Wer muss, der muss: Das Porzellanikon in Selb erzählt aus der Geschichte des Klos
Bücher & Musik: Komponistinnen, Markgrafenkirchen, Bläserserenaden
Caspar David Friedrich und die „Vorboten der Romantik“ im Museum Georg Schäfer
Bildkunst und Gitarrenspiel zu Gedichten von Ingrid Haushofer
Essay
zuletzt
Ein Quantum Brecht muss bleiben
Zum 125. Todestag des Stückeschreibers
Symphonien des Grauens
125 Jahre „Dracula“ von Bram Stoker
Man muss ihn nicht mögen
Napoleon zum 200. Todestag
In den Städten der Toten
Katakomben in Rom, Paris, Wien
Das neue Buch
Erhältlich im Buchhandel und online