16. Oktober Vor ziemlich genau drei Jahren erschütterte, erheiterte oder faszinierte die kulturaffine Öffentlichkeit eine Medienmeldung, die angetan schien, in der Musikwelt das Unterste zuoberst zu kehren: Mithilfe eines langwierig ausgeklügelten Algorithmus hatte ein Computer die nicht existierende zehnte Symphonie Ludwig van Beethovens zusammengebastelt; ihre Komposition hatte der genialische Tonsetzer sich zwar vorgenommen, über einige spärliche, kaum zu entziffernde Notizen aber kam er vor seinem Tod nicht mehr hinaus. Mächtig Aufsehen und Aufhorchen erregten die ersten Präsentationen der Partitur in Bonn und später in Hamburg. Die daraufhin veröffentlichte CD-Einspielung bestätigte allerdings für jeden ferngebliebenen Hörer nachvollziehbar die Auffassung der anwesenden Fachwelt, dass als Ergebnis des über Jahre vorangetriebenen Vorhabens eine Riesenenttäuschung herausgekommen sei. Mittlerweile darf solches Unterfangen als kalter Kaffee gelten, pfriemelt doch sogenannte Künstliche Intelligenz schon längst auf Wunsch und bei Bedarf weit pfiffigere Melodien und Harmonien aneinander. Gleichwohl lassen die Verfechter einer digitalen Durchsetzung aller Künste nicht locker und auch die Tonkunst nicht aus dem Auge und Ohr. So beglückten die Dresdner Sinfoniker am vergangenen Samstag ihre Gäste im Festspielhaus Hellerau nicht einfach mit der Erstausgabe des Projekts „Robotersymphonie“; mehr noch galt der starke Beifall des innovationsfrohen Publikums dem Dirigenten. Den Dirigiermaschinen, um es exakt zu sagen. Denn das Ensemble, auf zwanzigköpfige Kammerbesetzung beschränkt und obendrein in drei voneinander getrennte Gruppen geteilt, wurde bei Andreas Gundlachs „Semiconductor’s Masterpiece“ von drei Roboterarmen angeleitet. Jeder von ihnen trug einen farbigen Taktstock – rot der eine, der andere gelb, der dritte blau –, und um die futuristische Wirkung zum Äußersten zu steigern, strahlten die Stäbe wie die Lichtschwerter aus der „Star Wars“-Kinosaga. Ausgedacht hatte sich das singuläre Experiment der Orchester-Intendant Markus Rindt, der mit seiner Idee bei den IT-Experten der Technischen Universität offene Türen einrannte. Eine Symphonie Beethovens, räumt Rindt ein, erfordere derlei Technik nicht; wohl aber ein Stück wie „Semiconductor’s Masterpiece“, bei dem die drei Instrumentengruppen in ebenso vielen unterschiedlichen Taktarten und Tempi zu spielen hätten. Medienberichten zufolge brachten die Sinfonikerinnen und Sinfoniker dem Unterfangen offenbar mehr Skepsis als die Zuhörenden entgegen. Hinderlich fiel ihnen auf, dass sie, über die programmierte Zeichengebung hinaus, naturgemäß zu keinerlei Kontakt mit den motorisierten Maestros finden konnten. Dabei hält jeder einigermaßen erfahrene Konzertbesucher und erst recht jeder Ensemblemusiker für selbstverständlich, dass die ganzheitliche Körpersprache eines menschlichen Leitenden am Pult und gerade auch seine Mimik unabdingbar sind für die Interpretation eines zuvor mit ihm geprobten Werks aus dem Augenblick der Live-Aufführung heraus. Zumindest vonseiten der Automaten-Arme verläuft jede Darbietung wie die davor und die danach; allenfalls den Musizierenden bleiben enge Spielräume für Ausdruck und Ausdeutung. Der Apparat reagiert auf das Klanggeschehen vor ihm nicht, blind, wie er ist. Und taub, was schwerer wiegt. Immerhin: Beethoven wars auch. ■
Alle früheren Kolumnen im Eckpunkte-Archiv.
Rückblick
16. November, Hof, Klangmanufaktur
Zum achten Mal lud das Projekt „music4cellos“ zu Cellotagen. Verstärkt hatten sich die vier „Evangcellisten“ um Markus Jung mit dem leidenschaftlichen Alejandro Castro-Balbi, der das Festival nicht nur mit einem Kammerabend eröffnete, sondern ihm auch eine „Masterclass“ beitrug. Neben ihm sorgte beim Schlusskonzert ein unangekündigter Gast aufwühlend für Wirbel.
14. November, Hof, St.-Michaelis-Kirche
Dass der Waliser Karl Jenkins als der meistgespielte lebende Komponist der Welt gilt, hat er nicht zuletzt seinem Requiem zu verdanken. 2023 führten es Sängerinnen und Sänger der St.-Michaelis-Kantorei und des Jean-Paul-Gymnasiums sogar in der New Yorker Carnegie Hall auf; jetzt, nach 2017 und wieder unter Georg Stanek, noch einmal zu Hause: Das Publikum, tief beeindruckt, applaudierte stehend.
Theater Hof
Schauspiel
zuletzt
Die Mausefalle
Das Wunder von Hof
Plutos oder Wie der Reichtum sehend wurde
Vorhang auf für Cyrano!
Musiktheater
zuletzt
Dornröschen
Der Duftmacher
Die Krönung der Poppea
Dante
Theater andernorts
zuletzt
Tristan und Isolde auf dem Grünen Hügel
The Rake’s Progress in Plauen
Jelisaweta Bam im Vogtlandtheater
Der König stirbt in Bayreuths Studiobühne
Konzert
zuletzt
Concierto de Aranjuez: Ricardo Gallén brilliert mit Joaquin Rodrigos Meisterwerk
Hofer Cellotage: Leidenschaftliche Gäste beim achten Festival
Lateinisch-japanisches Requiem: Karl Jenkins’ populäre Vertonung in Hof
Trio Amédée: Seltene Kammermusik im Lichtenberger Haus Marteau
Film und Fernsehen
zuletzt
The Apprentice
58. Internationale Hofer Filmtage
To the Moon
Die Herrlichkeit des Lebens
Kleinkunst, Kabarett, Comedy
zuletzt
Olaf Schubert bewertet die Schöpfung
Philipp Scharrenberg verwirrt Bad Steben
Birgit Süß: Das Graue vom Himmel
Definitiv vielleicht: Günter Grünwald in Hof
Anderes
zuletzt
Aus dem Nachlass: Unbekannte frühe Erzählungen von Siegfried Lenz
Gottesanbieterin: Die Lyrikerin Nora Gomringer und ihre Kontake zum Jenseits
Musik & Buch: Franz Schmidt, Schubert/Webern/Mahler, Puccini, Holocaust
Aus dem Leben alter Häuser: Begleitbuch zur Hofer Stadtbrand-Ausstellung
Essay
zuletzt
Das Findelkind Europas: Kaspar Hauser war nachweislich kein Fürstenspross
Das Kleinmaleins des Lebens
Erich Kästner, doppelt und dreifach
Schwebende Verfahren
Zum 100. Todestag Franz Kafkas
Ein Quantum Brecht muss bleiben
Zum 125. Geburtstag des Stückeschreibers
Die Bücher
Erhältlich über den Buchhandel und online